Armenische Sprache & Schrift

Wer Jerewan besucht, wird dort vermutlich über das "Matenadaran" stolpern, das imposante Archiv der armenischen Manuskripte. Auf einer Führung lernt man alles, was es zur armenischen Sprache und ihrer Schrift zu wissen gibt.

Das Mesrop-Maschtots-Institut für alte Manuskripte (Matenadaran) in Jerewan.

Die armenische Sprache (arm. hayeren) ist weder eine südkaukasische Sprache wie etwa das Georgische oder andere Sprachen der Region noch eine Turksprache, sondern stellt einen eigenen Zweig in der indoeuropäischen Sprachfamilie. Man unterscheidet zwischen dem Altarmenischen (grabar) sowie dem West- und Ostarmenischen. Unter dem Einfluss des Hellenismus zur Zeit Alexanders des Großen und später auch durch die Christianisierung hielten viele griechische und syrische Lehnwörter Eingang in den Sprachgebrauch. Während der persischen Herrschaft im 5. bis 7. Jahrhundert wurden Ortsbezeichnungen und Verwaltungsbegriffe zusätzlich durch das Persische geprägt.

Woher kamen die Armenier? In der Wissenschaft und in der bunten Sagenwelt der Region gibt es ganz unterschiedliche Thesen zur Herkunft des armenischen Volkes. Die Legende nach Überlieferung des Geschichtsschreiber Moses von Choren (Movses Khorenatsi) rankt sich um einen Riesen namens Hayk. Der Bogenschütze mit lockigem Haar lebte mit seinem 300 Mitglieder zählenden Stamm in der Gegend von Babylonien, wo der tyrannische Riese Bel seine Herrschaft auf das kleine Volk auszuweiten versuchte. Daraufhin führte Hayk seine Leute aus dem Süden in die Gegend des Ararat, wo bereits seine Ahnen Noah und Japheth gesiedelt hatten, und gründete dort die Siedlung Haykashen. Nach ihrem legendarischen Stammvater Hayk nennen sich die Armenier bis heute Hayer. Wissenschaftliche Theorien vermuten den Ursprung der Armenier in Thrakien, also im europäischen Teil der Türkei, wo sie ein Stamm der Phryger gewesen sein sollen. Nach längerer Wanderbewegung ließen sie sich auf dem Armenischen Hochland nieder, wo vermutlich andere Völker wie z.B. die Urartäer in ihnen aufgingen.

Die armenische Schrift. Eine wichtige Rolle für das Selbstverständnis der Armenier und ihre christliche Identität spielt das armenische Alphabet. Die Christianisierung des Landes brachte religiöse, kulturelle und gesellschaftliche Veränderungen mit sich, in deren Zuge auch die Bibel ins Armenische übersetzt wurde. Zeitgleich trugen das Byzantinische Reich und die persischen Sassaniden einen Kampf um die Vorherrschaft in Vorderasien aus, was die Bildung einer eigenen armenischen Identität zur Wahrung der Eigenständigkeit notwendig machte. Nach einem Verbot der griechischen Sprache durch die Perser war ein großer Teil der christlichen Texte verloren gegangen. Die einfache Landbevölkerung dürfte der griechischen Sprache ohnehin nicht mächtig gewesen sein, sodass die christlichen Missionare umso mehr auf ein armenisches Alphabet angewiesen waren, um die Menschen in der Region erreichen zu können. Gleichzeitig konnte sich die Armenische-Apostolische Kirche so von den griechischen und syrischen Kirchen des Vorderen Orients loslösen. Eine rege Übersetzertätigkeit setzte ein, viele griechische, persische, hebräische und andere Dokumente haben sogar nur in ihrer armenischen Übersetzung überlebt.

 

Eine herausragende Persönlichkeit dieser Phase ist ein Mönch namens Mesrop Maschtots, der im 4. Jahrhundert westlich des Van-Sees (in der heutigen Türkei) geboren wurde. Nach ihm ist das Mesrop-Maschtots-Institut für alte Manuskripte im Matenadaran benannt. Maschtots hatte sowohl griechische als auch persische Bildung erfahren und stieß bei der Mission in seiner armenischen Heimat auf die oben erwähnten Schwierigkeiten: Die einheimische Bevölkerung verstand die Gelehrtensprachen des Christentums nicht. Daraufhin machte er sich an die Entwicklung eines Alphabets mit 36 Buchstaben, das sich in seiner Anordnung am griechischen orientiert, in der Form seiner Lettern allerdings syrische Einflüsse aufweist. Wie im griechischen oder hebräischen Alphabet hatten die armenischen Buchstaben auch einen numerischen Wert und wurden als Zahlzeichen verwendet. Die älteste Form dieser Schrift, die sogenannte "Eisenschrift", war bis ins 11. Jahrhundert gebräuchlich, als schließlich die Kleinbuchstaben eingeführt wurden. Ansonsten blieb die armenische Schrift bis heute nahezu unverändert und wurde nur um einige Sonderzeichen ergänzt, etwa zur Zeit der Sozialistischen Sowjetrepublik (1920er Jahre).