Religiöse Minderheiten

Während die überwältigende Mehrheit der Armenier der Armenisch-Apostolischen Kirche angehört, besitzt das Land auch eine lange Geschichte der Prägung durch andere Glaubensgemeinschaften und Minderheiten.

Die Blaue Moschee in Jerewan.

Mit nur knapp 1.000 Mitgliedern (weniger als 0,1 Prozent der Bevölkerung) stellen die Muslime heute eine verschwindend kleine Minderheit in Armenien dar. Dabei haben sie das Antlitz des Landes in einigen seiner Regionen über Jahrhunderte genauso mitgestaltet wie ihre christlichen Nachbarn. Es ist dem blutigen Konflikt mit Aserbaidschan geschuldet, dass die allermeisten Muslime Armenien zwischen 1988 und 1994 verlassen haben. Gleichzeitig floh die armenische Minderheit aus Aserbaidschan nach Armenien und Bergkarabach. Vom islamischen Erbe ist in den Städten und Dörfern heute kaum mehr etwas zu sehen. In der Mitte des 19. Jahrhunderts gab es acht Moscheen in Jerewan, im ganzen uyezd (Landkreis) sollen es sogar um die 60 gewesen sein. Heute ist die Blaue Moschee der einzige noch aktive islamische Ort des Gebets in Armenien – was jedoch nicht nur dem Konflikt geschuldet ist, sondern dem radikalen Umbau der Stadt unter sowjetischer Herrschaft ab den 1920er Jahren, dem auch viele von Jerewans Kirchen zum Opfer fielen. Die Blaue Moschee, ein schiitisches Gotteshaus, wurde 1786 eingeweiht. Die persischen Einflüsse aus der damaligen Zeit sind deutlich sichtbar. Im Jahr 1995 wurde das Areal an den iranischen Staat übergeben, zehn Jahre später wurde der Vertrag um 99 Jahre verlängert. Die Überreste einer weiteren Moschee sind heute noch im Stadtteil Kond zu erkennen.

Die Jesiden stellen mit etwa 0,8 Prozent der Einwohner Armeniens ebenfalls nur eine kleine Gruppe, allerdings sind sie damit dennoch die größte ethnische und religiöse Minderheit im Land. Unterschiedlichen Schätzungen zufolge beläuft sich ihre Zahl auf 35.000 bis 50.0000 Personen. Sie leben vor allem im Westen Armeniens, wo in der Provinz Armavir zwei jesidische Tempel (eingeweiht 2013 und 2019) existieren. Der große Tempel von Aknalich ist dem jesidischen Hauptheiligtum im nordirakischen Lalisch nachempfunden und dem Melek Taus gewidmet, einem gottgeschaffenen Engel in Pfauengestalt. Als nicht-muslimische Kurden haben sie ihren eigenen Glauben, der im 12. Jahrhundert erstmals in Erscheinung trat. Die ersten Jesiden kamen bereits im 19. Jahrhundert ins Zarenreich, als sie vor osmanischer Verfolgung flohen. Andere überlebten an der Seite der Armenier die Massaker des Ersten Weltkrieges. Armenien ist das einzige Land, in dem Jesiden auch als eigene Volksgruppe zählen, was damit zusammenhängen mag, dass sich einige kurdische Stämme am Völkermord an den Armeniern beteiligten. Die Jesiden in Armenien legten deshalb seit jeher großen Wert darauf, als separate Gruppe wahrgenommen zu werden. In der armenischen Nationalversammlung sind sie durch einen eigenen Abgeordnete vertreten.

Auch wenn Armenien anders als die meisten anderen ehemaligen Sowjetstaaten nie eine bedeutend große jüdische Gemeinde beheimatete, so ist die Geschichte der Juden hierzulande schon über 2.000 Jahre alt: Als sich König Tigranes der Große im ersten vorchristlichen Jahrhundert aus Judäa zurückgezogen hatte, soll er 10.000 jüdische Gefangene mitgebracht haben. Auch im Mittelalter lassen sich jüdische Gemeinden auf dem Gebiet des heutigen Armenien nachweisen. Erst 1996 wurden in Yeghegis (Vayots Dzor) die Überreste einer Siedlung persischer Juden und eines dazugehörigen Friedhofs aus dem 13. Jahrhundert entdeckt. Bis vor kurzem lebten nur noch 100 bis 500 Juden in Armenien, oft mit christlichen Ehepartner*innen  und die meisten von ihnen in Jerewan. Seit dem russischen Angriffskrieg auf die Ukraine sind jedoch zehntausende Menschen aus Russland nach Armenien gekommen, was auch zu einer vorläufigen Renaissance der hiesigen jüdischen Gemeinde geführt hat.

Neben einigen Protestanten sowie Angehörigen anderer christlicher Konfessionen gibt es im Norden Armeniens auch einige Dörfer, in denen die russische Gruppe der Molokanen lebt. Die Molokanen haben sich vor langer Zeit von der Russisch-Orthodoxen Kirche abgespalten und siedelten sich in den 1840er Jahren in Armenien an. Sie leben heute vor allem in Fioletovo und anderen Dörfern östlich von Vanadzor, die man auf dem Weg nach Dilidschan kaum verfehlen kann.

Unsere Empfehlungen:

  • In der Blauen Moschee etwas Ruhe vom Straßenlärm finden.
  • Das Mahnmal des Völkermords an den Jesiden in Sindschar (2015) an der Isahakyan-Straße besuchen. (Es ist das erste seiner Art außerhalb von Kurdistan-Irak.)
  • Auf dem Stadtplan von 1911 im Museum der Geschichte Jerewans (im Rathaus) alle 7 ehemaligen Moscheen aufspüren.